Anton Johannes Gerrit Corbijn van Willenswaard
Funktion: U2s Haus- und Hoffotograf und Regisseur
Anton Corbijn wird als Sohn eines Pastors am 20. Mai 1955 auf der Nordsee-Insel Strijen geboren und ist ein niederländischer Fotograf und Filmregisseur. Bereits 1975 beginnt er aus Liebe zur Musik bei Konzerten zu fotografieren, um wie er sagt „dichter an der Musik dran zu sein“. Nach einem vorzeitig abgebrochenen Fotografie-Studium in Den Haag zieht er 1979 nach London. Durch einen ersten Job für Joy Division erhält er rasch Eintritt in die Musikszene und knüpft schnell Kontakte zu jungen Bands wie Depeche Mode und U2 – mit denen ihn bis heute eine enge Freundschaft verbindet. Bis heute gestaltet er das Image beider Bands maßgeblich und gibt ihnen passend zur musikalischen Entwicklung eine unverkennbare Bildsprache, ein eigenes visuelles Leben. Ihr Bild in der Öffentlichkeit ist untrennbar mit Anton Corbijns Ästhetik verbunden. Seine Bilder sind mehr als nur Musikerfotos, es sind Ikonen des Pop.
Zeugnisse seiner gesamten fotografischen Zusammenarbeit mit U2 veröffentlicht Corbijn Anfang 2005 in dem Buch "U2&i". Der Zeitraum von fast 30 Jahren, von den Anfängen der Band bis zu ihrem jüngsten Welterfolg, ist in der Pop- und Fotogeschichte einmalig. Als Mann im Hintergrund hat er mit seiner Kamera den wachsenden Erfolg der Band beobachtet und die wichtigsten öffentlichen und auch viele private Momente ihrer Laufbahn verewigt. Wim Wenders schreibt im Vorwort von „U2&i“ über ihn: „Anton Corbijn ist das fünfte Bandmitglied, das ein unhörbares Instrument spielt.“ Salman Rushdie trifft dabei aber wohl den Nagel auf den Kopf: „U2 und Anton Corbijn haben einander verdient. Sie sind ähnlich seltsam gepolt“.
Antons erste Bilder aus der Musikszene der 80er Jahre sind schwarz-weiß und klar dokumentarisch. Er fotografiert auf Konzerten und Backstage, nähert sich den Stars an, indem er sie begleitet bis er schließlich zu deren engem Umfeld gehört. Oft fotografiert er auch Künstler in dem Moment, in dem sie für andere Fotografen posieren. Die Bilder aus dieser Zeit, in denen auch die Umgebung noch eine wichtige Rolle spielt, lassen sich mit seiner Schüchternheit und Zurückhaltung erklären, die sicherlich auch mit seiner Erziehung zu tun hat.
1983 dreht er sein erstes Musikvideo, inzwischen sind über 70 weitere entstanden. Zu seinen bekanntesten Videos gehören „Heart-Shaped Box“ von Nirvana und „Personal Jesus“ von Depeche Mode sowie „Mensch“ von Herbert Grönemeyer. Für U2 realisiert er 1984 die Faces-Version von "Pride (In the Name of Love)", "One" (1992), "Please" (1997) und "Electrical Storm" (2002) und den Film „Linear“ (2009), der die Songs des Albums „No Line On The Horizon“ (2009) visuell umsetzt.
Mit zunehmendem Erfolg in den späten 80er Jahren beginnt Corbijn auch prominente Künstler aus anderen Bereichen zu fotografieren, darunter Martin Scorsese, Isabella Rossellini, Clint Eastwood, Georg Baselitz und Salman Rushdie. Er experimentiert mit Kameraformaten und Spezialpapieren (Lith-Prints) und fängt an, auch in Farbe zu fotografieren. Dies verändert seinen Stil mehr in Richtung Portraitfotografie und er kreiert eine neue Ära der Starfotografie: spröde, sehr nah und sehr persönlich. Corbijns Bilder tragen seine besondere visuelle Handschrift, die der Betrachter sofort erkennt, zeigen die Superstars oft im Grenzbereich zwischen ihrem glamourösen Image und ihrem eigentlichen, wahren Wesen. Seine Starportraits werden weltberühmt und machten Corbijn selbst zum Superstar (mit diesem Begriff fühlt er sich allerdings unwohl). 1989 und 1996 erscheinen seine Starportraits als Bildbände: „Famouz“ und „Star Trak“.
Neben der Fotografie und der Tätigkeit als Videoregisseur hat sich Anton Corbijn auch als Art-Director einen Namen gemacht. So stammen viele Plattencover aus der Hand von Corbijn, u.a. von U2 (z.B. The Joshua Tree, Rattle & Hum, Achtung Baby), Depeche Mode (z.B. Violator, Songs of Faith and Devotion, Ultra), Nick Cave, Bee Gees, Metallica, Therapy? und Herbert Grönemeyer. Seit 1993 designt Corbijn außerdem die Bühnenbilder und On-Stage-Effekte für Depeche Modes’ Welttourneen und veröffentlichte zwei Live-Konzertfilme. 1998 war Corbijn auch für die Wahlkampagne von Ministerpräsident Wim Kok verantwortlich.
In den späten 90er Jahren entschließt sich Corbijn zu einem Projekt, das in Auseinandersetzung mit dem Thema Paparazzifotografie rein aus „gestellten“ Fake-Fotos besteht und unter dem Titel „33 Still Lives“ als Buch erscheint. Diese Bilder werden paparazzigetreu hergestellt, das heißt mit Blitz und auf Farbpapier gedruckt, wobei nur die Farben Rot und Blau hervortreten.
Seine anfänglich eher intuitive Arbeitsweise wird im Laufe der Zeit zunehmend konzeptioneller. 2002 portraitiert er sich selbst unter dem Titel "a. somebody, strijen, holland" in der Verkleidung verstorbener Musik-Heroen wie Bob Marley, John Lennon oder Frank Zappa vor der Landschaft seines niederländischen Geburtsortes Strijen.
Im Sommer 2005 findet anlässlich des U2-Konzerts am 7. Juli 2005 in der Galerie c/o Berlin eine exklusive Werkschau zum Thema „U2&i“ statt - ein Querschnitt durch 22 Jahre Bandgeschichte, Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen dem Fotografen und der Band. Zur Vernissage finden sich neben Anton Corbijn auch Wim Wenders und Adam Clayton ein.
Unser Administrator Björn Lampe hatte zur Ausstellungseröffnung in München im August 2005 die Chance, ein Interview mit Anton zu führen: Link zum Interview
Seine Ausstellungen haben in Europa große Erfolge erzielt und werden als Neuland in der Fotografie betrachtet, unter anderem weil sie sich in einem Gebiet bewegen, das zwischen der reinen Musikfotografie und der Kunstfotografie liegt, und dadurch gleichermaßen Musikliebhaber wie auch Museumsbesucher angesprochen werden. Der Stern widmet ihm 2004 eine Ausgabe des „Stern Spezial: Fotografie“, eine Compilation seiner filmischen Werke erscheint im Oktober 2005 im Rahmen der Reihe "The Work Of Director" auf DVD.
2007 bringt Anton seinen ersten Spielfilm „Control“ in die Kinos (Filmstart in Deutschland: 10.01.2008). Hier schildert er das kurze Leben des Sängers der Post-Punk-Band „Joy Division“, Ian Curtis, der 1980 im Alter von 23 Jahren Selbstmord beging. Für seine Regiearbeit wird Anton Corbijn im Herbst 2007 mit vielen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Preis als bester europäischer Film der Filmfestspiele von Cannes, der Camera d'or - Mention spéciale der Filmfestspiele von Cannes, dem Award als bester neuer britischer Film beim Edinburgh International Film Festival und dem Preis der Hamburger Filmkritik.
2009 entwickelt Anton das Bühnendesign und liefert die Hintergrundfilme für die Depeche Mode „Tour of the Universe“ Welttournee. Zudem dreht er einen neuen Film. In der Dokumentation Shadow Play: The Making Of Anton Corbijn tritt Bono neben anderen Stars wie Dave Gahan, Michael Stipe und Brandon Flowers auf. 2010 erscheint sein zweiter Kinofilm "The American", ein Thriller mit George Clooney und der Musik von Herbert Grönemeyer. Einen tieferen Einblick in die Person und den Künstler "Anton Corbijn" gewährt der 2012 veröffentlichte 80minütige Dokumentarfilm "Anton Corbijn - Inside Out" von der holländischen Regisseurin Klaartje Quirijns.