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U2 News » Geburtstagsbrief an Bono
Zum 60. Geburtstag unseres Lieblingssängers am heutigen Sonntag hat unser Mitarbeiter Daniel (alias Bonoman) einen Brief geschrieben.
Bonoman Kiel, 10.Mai 2020
U2tour. de
Germany
Paul David Hewson
Vico Rd
KILLINEY
CO. DUBLIN
IRELAND
Lieber Bono,
60 Jahre - ich kann es nicht fassen. Vielleicht sieht man Dir die Jahrzehnte ein wenig mehr an als Larry
oder The Edge, aber so wirklich greifbar ist dieses Jubiläum für mich noch nicht. Liegt es daran, dass Dein
Ehrentag mir so sehr mein eigenes Älterwerden vor Augen führt? Schließlich warst Du 25 und ich sieben
Jahre alt, als ich meinen ersten 'U2-Kontakt' hatte. Das Video zu Pride lief im ZDF bei Peter (Illmanns) Pop
Show. Vielleicht klingt es romantisch verklärt, aber ich erinnere mich tatsächlich noch genau an diesen
Moment. Und da die meisten 7-inch Singles meines Vaters damals recht schnell in meine kleine eigene
"Sammlung" übergingen (Danke Papa!) dauerte es nicht lange, bis ich auch diese Platte in den Händen
hielt. Ich besitze sie noch heute und hege sie wie einen Schatz. Mein Fan-Dasein im heutigen Sinne
begann zwar erst später, aber ich kann doch mit Fug und Recht behaupten, dass die Musik von U2 mich
mehr als die Hälfte Deines Lebens begleitet hat. Der Soundtrack meines Lebens - es klingt immer so
pathetisch. Und doch ist keine Formulierung so treffend für das, was Du und Deine Freunde aus dem
Norden Dublins mir in den letzten 35 Jahren beschert haben. Dieser Text zu Deinem Geburtstag ist darum
nicht zuletzt ein großes Dankeschön für das Geschenk, das Du mir gemacht hast! Ein Geschenk, das ich
mit unglaublich vielen Menschen teile ("... ob ich will oder nicht" wird manch einer jetzt augenrollend
denken)
Deine Songs liefen auf meinem Plattenspieler, auf dem Walkman, auf meinem ersten CD Player, auf VHS,
auf DVD, auf Blu Ray und im Stream. Und anders als Du und ich altern sie nicht.
Du warst da, als ich das erste Mal alleine ein Stadionkonzert besuchen durfte, Du hast auf meiner
Hochzeit gespielt, Deine Songs haben meinen Sohn in den Schlaf gewogen. Seit Zoo TV bin ich Dir auf jede
Tour gefolgt und habe Dir deutlich mehr als die berühmten 500 Pounds gegeben.
Ich erinnere mich an ein Riesenposter von Dir, dass in meinem Zimmer hing, 1 Meter mal 1,30 Meter. Es
zeigt Dich im De Kuip Stadion während der Joshua Tree Tour. Keine Ahnung, wo das gelandet ist, vor
kurzem habe ich es gebraucht für 100 USD in einem Online-Shop gesehen. Der Rest meiner Sammlung ist
glücklicherweise größtenteils noch vorhanden, wenn auch nur staubgestützt in riesigen Plastikboxen
unter meinem Bett. Darin befinden sich auch mehrere Autogramme von Dir. Das erste stammt aus
London; nach der ersten Popmart Show im August 1997 habe ich mit hunderten anderen Fans vorm Savoy
Hotel gewartet. Ihr habt Euch Zeit gelassen und es war recht kühl, daran erinnere ich mich noch. Als Du
dann schließlich aus der Limousine gestiegen bist, warst Du eindeutig Rockstar. Schon damals waren U2
Fans eher von der gesitteten Sorte und standen wie an einer Schnur aufgereiht entlang der Hoteleinfahrt.
Du hast Dich darüber sehr amüsiert, die Hand über die Augen gelegt und die Menge wie ein Späher
"beobachtet". Bono, der Showman, die Menge im Griff. Und dann war da der andere Bono, der, von dem
ich mir so oft wünsche seine Neider und Kritiker würden ihn kennenlernen. Ein Sänger ohne Allüren, so
freundlich und aufmerksam, so ehrlich interessiert, so höflich und angenehm, so viel mehr Paul from
Number 10 als schillernde Rockstar.
Wenn Du auf Fans triffst bist Du ihnen aufrichtig zugewandt, Du erkennst sie wieder, Du erinnerst Dich an
Dinge, die sie Dir vor Wochen erzählt haben und erkundigst Dich aktiv danach. Trage ich eine rosa-rote
Fan Brille während ich das schreibe? Spricht das Kind in mir, das nicht aufhören möchte, einen
Superhelden in Dir zu sehen, bin ich vielleicht inzwischen zu alt, um Dich oder überhaupt jemanden als
Idol zu haben? Nein, ich schreibe einfach auf, was ich denke, wann immer ich Dich in Interaktion mit
Deinen Fans erlebe, wie sehr ich jedes Mal wieder ob Deiner wertschätzenden Art überrascht bin.
Natürlich hast Du gerne Deine Bühne, eine narzisstische Ader kann ich Dir nicht absprechen. Du liebst die
großen Worte, Pathos aufs Brot und bei Konzerten wünsche auch ich mir zuweilen, Du würdest mehr
singen und weniger predigen. Manchmal treibst Du es auf die Spitze und Du strapazierst meine Toleranz.
Wenn Du "Deinen Freund" George W. Bush besuchst und mit ihm in die Kameras lächelst, dann kann ich
das schwer ertragen. Es macht mich wütend und ich versuche dagegen anzukämpfen, dass meine
Vorbehalte gegen ihn durch Dich relativiert werden, weil ich weiß, dass er vielen Menschen unglaubliches
Leid beschert hat. Dann denke ich an Deine Worte "Compromise, it's not a dirty word"... Und frage mich,
ob der Zweck nicht tatsächlich viel häufiger die Mittel rechtfertigt, als viele von uns das wahrhaben
wollen. Auf U2 Radio war einst zu lesen: He has the ability to compromise presidents out of billions of
dollars and make you think he's doing you a favor. Besser könnte ich es wohl auch nicht ausdrücken.
Und so ertappe ich mich in Diskussionen immer wieder als Dein Anwalt, rede mir den Mund fusselig und
schreibe Leserbriefe. An ein bekanntes deutsches Musikmagazin, das es hip zu finden scheint, neuerdings
jedes Eurer Alben zu zerreißen, ohne es gehört zu haben. An den Redakteur einer Berliner Zeitung, der es
auch nach dem zehnten Mal noch innovativ findet, Dir Hypokrisie und Gutmenschentum vorzuwerfen.
Ungeheuer reich sein, das Vermögen mehren, Steuern sparen und gleichzeitig Gutes tun - das ist für viele
noch immer unvereinbar miteinander. Wer die ärmsten Staaten der Welt entschulden will, der hat am
besten unter einer Brücke zu schlafen; wer HIV in Afrika bekämpfen möchte, der schlürfe gefälligst keinen
Champagner in Eze-sur-Mer. Dabei hast Du NIE behauptet ein Heiliger zu sein, ganz im Gegenteil. Du bist
ein stinkreicher Rockstar und das gefällt Dir verdammt gut - wem würde es anders gehen? Du selbst hast
das einmal wie folgt ausgedrückt: As a rock star, I have two instincts, I want to have fun, and I want to
change the world. I have a chance to do both.
Ich sollte aufhören mich darüber zu ereifern, über den Dingen stehen. Schließlich bin ich keine 16 mehr
(wie bei meiner ersten U2 Show)... Aber es widerstrebt einfach meinem Gerechtigkeitsempfinden, wenn
Menschen, die so gut wie nichts über Dich wissen zum Bono-Bashing ausholen, einfach weil es so schön
einfach ist. Wer sich mit Dir auseinandersetzt, wer Deine (grandiosen) Songtexte liest und zu verstehen versucht, der weiß wie sehr Du zur Selbstreflexion neigst, wie groß
Deine Zweifel sind, wie differenziert Du Dinge betrachtest. Deine Rhetorik auf der Bühne ist freilich eine
andere, dort reduzierst Du komplexe Themen auf einfache Botschaften. Manchmal subtil, wenn Du Dich
selbst karikierst und damit beweist, dass Du Dich gar nicht so ernst nimmst, wie viele es oft glauben
machen wollen. Manchmal sehr direkt, wenn Du globale Probleme ansprichst. Auf Tour tust Du das
Abend für Abend, mit den immer gleichen Worten und nicht wenigen ist das zu einstudiert, zu
theatralisch. Aber verlieren wahre Worte ihre Aufrichtigkeit, wenn man sie bewusst inszeniert? Ich denke
nicht. Viele wollen sie dennoch nicht hören, sie kommen um Deine großartige Musik zu hören, sie wollen
Bono den U2 Sänger und Frontman, nicht Bono den Politiker und Weltverbesserer. Ich persönlich möchte
beides, ich möchte die großartigen Songs hören (manche gerne etwas weniger, andere gerne etwas
mehr), ich möchte Spaß haben und mitsingen, tanzen und abrocken. UND ja, ich möchte hören, wie Du
mahnst, wie Du anprangerst, wie Du zur Solidarität aufrufst. Ich bin auch beim zehnten Mal gerührt, wenn
Du Ali vor 20.000 Menschen eine Videobotschaft schickst. The showman gives you front row to his heart -
und ich sitze gerne in der ersten Reihe. Ist das kitschig? Vielleicht? Aber ich glaube auch, dass Du jedes
Deiner Worte ehrlich meinst. Vielleicht bin ich einfach naiv, aber dann bin ich es gerne; ich gehöre zu den
Fans, bei denen ein U2 Konzert den Wunsch danach auslöst, die Welt ein Stück besser zu machen. Und
das ist bestimmt nicht der schlechteste Wunsch.
Happy Birthday Bono - Don't let the bastards grind you down!
Daniel
![]() Bono mit Brian Murphy
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