Aktuelle News

U2 News » Bono und Edge über Johnny Cash


Anlässlich des Todes von Johnny Cash (News vom 12.09.203) hatten Bono und Edge in den Musikmagazinen Rolling Stone und Hotpress Gelegenheit, an den "Man In Black" zu erinnern. Eine deutsche Übersetzung beider Interviews könnt ihr hier lesen.

Bono ("Remembering Johnny", Rolling Stone): Jeder konnte sich mit ihm identifizieren, aber niemand konnte so sein wie er. So außergewöhnlich und zugleich einfach zu sein, war seine eigentliche Gabe - dies, sein Humor und seine nackte Ehrlichkeit. Als ich ihn einmal zuhause besuchte, sprach er das wunderbarste, poetische Tischgebet. Er meinte, "Sollen wir uns verneigen?" Wir verneigten uns alle. Als er fertig war, schaute er mich und Adam Clayton an und sagte: "Klar, die Drogen vermiss’ ich dennoch." Er wollte damit sagen: "Ich bin kein ‚holy joe’ geworden." Er konnte einfach nicht selbstgerecht sein. Ich glaube, er war ein sehr gottesfürchtiger Mann, aber man hatte das Gefühl, er habe seine Zeit in der Wüste zugebracht. Und das brachte einem gerade dazu, ihn noch mehr zu mögen. Es gab seinen Songs eine Art staubige Atmosphäre. Und diese Stimme hörte sich auf jeden Fall an wie Heuschrecken und Honig. Was "Hurt" betrifft, so ist es vielleicht eines der besten Videos aller Zeiten. Ich erzählte gerade gestern jemandem: "Wir sind alle Memmen, verglichen mit Johnny Cash." Und er war auch noch Zoobesitzer. Wusstet ihr, dass er auf seinem Grundstück einmal beinahe von einem Emu getötet wurde? Er erzählte mir: "Dieser Emu war verdammt nahe dran, mich zu killen. Ich verteidigte mich mit einem Pfosten." Aber er lachte, als er diese Geschichte erzählte. Jetzt ist Johnny Cash von uns gegangen, kurz nachdem er die Liebe seines Lebens verabschieden musste. Das ist so viel mehr als Tod durch einen Emu. Wir sollten dankbar sein. *** The Edge erinnert an Johnny (Hotpress): Ich denke, Punk Rock war das Umblättern einer Seite, der Vergangenheit in vieler Hinsicht den Rücken zudrehen und alles neu erschaffen, aber es gab einige wenige auserlesene Künstler, die all das überschritten, die Teil der Punk-Mentalität waren, einfach aufgrund dessen, wofür sie standen und Johnny war einer von ihnen. Sein Blickwinkel auf viele Dinge war der eines Überlebenden in einer Zeit des Drangs, den Rock’n Roll von den fetten Säcken zurückzufordern, die ihn total kaputt gemacht hatten. Johnny war cool während dieser gesamten Zeit und ich finde, er kombinierte so vieles, was die Leute interessierte: politisches Bewusstsein und ein Gefühl berechtigten Zorns im Namen der Unterdrückten und Entrechteten, seien es die Insassen von San Quentin oder einfach die Menschen der Arbeiterklasse Amerikas, die er so genau kannte und über die er so wortgewandt schrieb. Er schien immer da zu sein für die Underdogs und das vertrug sich so gut mit allem, worum es im Punk Rock ging. Ich finde, "The Wanderer" entstand, wie viele unserer besten Ideen, fast auf magische Weise. Wir arbeiteten an dem Song, Bono ging zum Mikrofon, um zu singen und er meinte: "Ich weiß nicht genau, wie ich den angehen soll." Und wie aus dem Nichts sagte er, "Hey, wisst ihr, ich glaube, Johnny Cash ist in der Stadt und vielleicht könnten wir ihn dazu bringen, hierher zu kommen und den Song mit mir oder an Stelle von mir zu singen." Ich weiß nicht genau, was er damit vermitteln wollte. In dem Moment dachten wir glaube ich alle, "Oh, Bono versucht nur von der Tatsache abzulenken, dass er eigentlich keinen Schimmer hat, was er mit dem Song anfangen soll, aber das ist jetzt einfach eine verrückte Idee zu viel." Aber immer wenn etwas in der Art passiert, habe ich gelernt, mir ein bisschen auf die Zunge zu beißen, weil diese verrückten Ideen sich oft als die herausstellen, die dann doch realisiert werden und diese war tatsächlich eine davon. Wir versuchten unverzüglich, Johnny ans Telefon zu bekommen und er sagte, er würde liebend gerne vorbeikommen, um Hallo zu sagen und falls es etwas gäbe, wo er singen könnte: großartig, er wäre dabei. Danach versuchte sich Bono an einer Art "falschen" Johnny-Vocals und es war unheimlich, plötzlich fügte sich dieser Track zusammen. Eno meinte zu diesem Zeitpunkt: "Das ist es! Wir brauchen Johnny nicht, du hast es, das ist genau das, was wir brauchen!" Und Bono sagte: "Nein, das ist nur die Hälfte von dem, was dieser Song sein könnte." Schließlich, fast gegen Brians Rat, kam Johnny und sang und es war unglaublich, auf welche Art der Song zum Leben erweckt wurde. Es war ein bisschen unwirklich. Jeder begeisterte sich für die Stimmung dessen, was er tat. Er sang zwei Aufnahmen, das war’s, wir konnten nicht einmal fragen, "Könntest du es auf diese Art versuchen?". Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine "Ich-kann-nicht-so-recht-begreifen-was-vor-sich-geht"-Erfahrung. Es herrschte eine leichte Atmosphäre des Schwindels im Raum. Nachdem er gegangen war und wir uns verabschiedet hatten, schauten wir uns alle nur an und meinten: "Was ist da gerade passiert?!!" Er stand gerade vor den Aufnahmen für das erste American Recordings-Album, als wir an "The Wanderer" arbeiteten. Wir waren erfreut, dass Rick (Rubin) sich entschlossen hatte, diese Serie von Aufnahmen mit Johnny zu machen und wir verstanden genau, warum. Es war großartig, dass jemand anderes begriffen hatte, dass viel mehr in Johnny steckte als nur Sänger und Performer zu sein. Er machte wirklich einige großartige Aufnahmen mit Rick. Das Cover von "Hurt" ist mein Lieblingsstück von dem, was er in den letzten Jahren gemacht hat. Und "One" ist ein gewaltiger Song und ich liebe seine Version, es ist wie ein anderer Ansatz. Er war groß in jeder Hinsicht, aber unglaublich witzig und er hatte diese selbstironische Eigenschaft, die sehr charmant war. Er wirkte wie jemand, der immer da war und wusste, dass es da sehr wenig 'Bullshit' gab. Er war ein Überlebender. Im Rattle & Hum-Booklet sind einige Porträts, die an den Wänden der Sun Studios hingen, als wir dort aufnahmen. Und Johnnys Fotos sind auch da, aber er ist derjenige, der wirklich durchgekommen ist; alle anderen sind mehr oder weniger vom Weg abgekommen, entweder verstorben oder musikalisch in obskure Gefilde abgedriftet. Johnny Cash durchlebte wahrscheinlich genauso viele Tiefen wie jeder andere, aber die Tatsache, dass er sie durchstanden hat, gab ihm unglaubliche Kraft. Er berührte wirklich so viele verschiedene musikalische Gebiete auf außergewöhnliche Art und Weise. Ich meine, es gibt Leute, die Elvis wegen seiner fetten Phase nie richtig werden mögen können, weil das Ganze zu einer Art Freak Show wurde. Aber ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der Johnny Cash nicht liebt, weil etwas so wahrhaftiges an dem war, was er tat. Er war ein wunderbarer Mann. Jemand sagte: "Wenn der Grand Canyon singen könnte, würde es wie Johnny Cashs Sound klingen." Ich denke, das fasst es zusammen.



Mit Sternchen (*) gekennzeichneten Verweise sind sogenannte Provision-Links (Affiliate-Links). Wenn du über einen solchen Verweisklick einen Einkauf tätigst, bekommen wir von deinem Einkauf eine Provision. Für dich verändert sich der Preis nicht.

Weitere U2 News

Bono Launches Peter & The Wolf

Bono über das neue U2 Album
 
XML | Impressum | Topicon