U2 Live On Tour

Tourarchiv » Elevation Tour » 12.07.2001 Köln



U2 Konzert

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Elevation Tour

Leg 2 (Europe)

Donnerstag, 12. Juli 2001

 Deutschland

Köln

Kölnarena (Popup LinkWebseite)

39.915 (bei insgesamt zwei Konzerten) 

Vorgruppe / Line-Up

Söhne Mannheims

Wissenswertes

Beim Konzert wurden 20 Songs gespielt (ohne Snippets). Insgesamt wurden 1 Songs weniger als beim Konzert zuvor gespielt. Es waren 17 Songs gleich wie beim vorherigen Konzert. Neu hinzu kamen folgende 3 Songs: I Will Follow, Stay (Faraway, So Close!), Bad

Kommentar

Hawkmoon 269 wird das erste Mal seit Dezember 1989 gespielt. Running to stand still das erste Mal seit Dezember 1993. Die Lyrics zu beiden Songs werden Bono von einem deutschen Fan hingehalten. Andere Lyrics wie z.B. One Tree Hill oder Red Hill Mining Town lehnt Bono leider ab.

Konzert Fotos

         

Fans beim Konzert

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Konzertbericht von Michael Pilz / Welt am Sonntag

"With Or Without You"

U2, die größte Band der Welt, beginnt ihre Deutschland-Tour in Köln und feiert das Ende der Ironie.

Vielleicht erlebt der Mann die schönste Zeit in seiner Midlife-Crisis. Midlife-Crisis, haben aufmerksame Psychologen es genannt, wenn Männer sich noch einmal eine E-Gitarre kaufen. Manche stellen jungen Frauen nach, andere hören HipHop-Platten, viele gehen wöchentlich ins Stadion. Was in allen Fällen hilft, ist Ironie.
Als Bono in der Kölnarena singt, wortwörtlich, er sei immer noch dabei, die Midlife-Crisis zu begreifen, gehen überall die Lichter an. Das wirft zum einen Bonos riesengroßen Schatten auf den weißen Stoff im Bühnenbild. Aber vor allem ist zu sehen, wie sich vor der Bühne alle Arme nach ihm recken, ihn ergreifen, dankbar an ihm zerren. Er kniet nieder, seine Krise ist vorbei. Auch Rock'n'Roll, als eher abstrakte Kunstform oder Lebensart, durchlitt die neunziger Jahre in gebotener Ironie. Nun poltert die erklärtermaßen größte Band der Welt wieder humorlos durch die Mehrzweckhallen.

Bono sagt: "Es ist der Job des Rock'n'Roll, den Pop-Charts in den Arsch zu treten." Weil das viele Menschen ähnlich sehen, hat kein Popstar im vergangenen Geschäftsjahr mehr verdient. U2 hat es zuerst erkannt, dass sich die Leute danach sehnen. Nach dem heftigen Gitarrendonner. Nach der überlebensgroßen Geste und nach Redlichkeit an Bass und Schlagzeug. Nach den Achtzigern gewissermaßen. Danach, dass die Lieder so gemeint sind wie Bono sie singt. "Gehe fort, gehe fort, ich werde folgen!" Alle singen mit und sagen schließlich "Boah!".

U2 ist angereist mit 18 Lastern, mit acht Bussen, und die Karten sind so teuer, dass kein Zweifel an der Größe dieser "Elevation Tour" aufkommt. Die Rundfahrt der Erhabenen. Er selbst würde für 140 Mark nie eine Karte kaufen, hatte Bono zwar erklärt. Auch das gehört zum Rock'n'Roll: Man ist ein Teil dieses Systems, das man zu kritisieren vom System gezwungen wird. Diese Erfahrung hatte zuletzt die Rockmusik gelehrt, sich nicht zu ernst zu nehmen.

In den Achtzigern begann U2 vergeblich, eine Punkband zu verkörpern. Doch ihr Pathos war so ungewöhnlich, dass U2 die Popwelt überraschte. Von der Liebe sangen sie und hissten weiße Flaggen im Konzert. Vier Jungs aus Dublins Mittelschicht. Sie wussten, wer die Guten waren, wer die Bösen. Alle wussten das in dieser Zeit. Doch mit dem Ende der Ideologien kam die Ironie. Die Gruppe nahm Quartier in einem Gästehaus der frisch gestürzten DDR-Regierung in Berlin. Die Tour hieß "Achtung Baby", ein Trabant war Teil der Show. Dann inszenierten sie ihr "Zoo TV" als Technofest vor häusergroßen Videowänden. In Las Vegas brachen sie zur letzten Reise auf. In einem "Pop Mart" sprang der Sänger als "MacPhisto" durch den eigenen Ausverkauf unter McDonald's-Bogen und satirischen Verweisen aller Art. Eine gigantische Zitrone war dabei. Gezwinkert und gegrinst wurde nach Kräften.

Nun umklammert Bono aufgewühlt sein Mikrofon und krächzt auf deutsch: "Letztes Mal brachten wir eine Zitrone! Dieses Mal bringen wir euch ein Herz!" Die Bühne ist ein Herz. Ein Laufsteg, der in Herzform einen Teil des Publikums umgibt. Es ist ein offenes, ein liebevolles Rockkonzert. Die Band spielt nicht in einem hellem Kasten, und die Menschen schauen aus dem Dunkel zu. Das Licht geht immer wieder an, die Scheinwerfer sind überall unter dem Hallendach verteilt, und Bono fasst seine Besucher ständig an. Er lässt sich Zettel oder Fahnen reichen. Die sozialdemokratische Form des Rockkonzerts. Wie in der Schulreform die strengen Reihen damals einer neuen Ordnung wichen, einem U, bezieht U2 die Zuschauer mit ein in diesen feierlichen Leistungskurs des Rock'n'Roll. Das Lernziel: den Rock retten, die Welt retten. "Beautiful Day", Jubel, Licht. "Sunday Bloody Sunday", Jubel, Licht. "Where The Streets Have No Name", Jubel, Licht. "With Or Without You", Andacht.

Hatte Bono in den Neunzigern auch Schutz gesucht, indem er selbst in finstren Nachtklubs eine Sonnenbrille trug, lässt er sich heute in die Augen blicken. Er ist schlicht und schwarz gekleidet. Videoschirme strahlen in Schwarzweiß und haben viel Kontrast wie die berühmten Anton-Corbijn-Bilder von U2. Dann fahren einmal virtuelle Tänzerinnen farbenfroh und äußerst medienkritisch aus der Bühne. Das Idol der Waffennarren von Amerika, Charles Heston, spricht von einer Leinwand, dazu werden Schussopfer gezeigt. Der Sänger zielt mit einem Handscheinwerfer in die Menge, und er ruft den Geist John Lennon an.

"Irony is over". Keine Band verkörpert diesen Wertewechsel eindrucksvoller als U2. Der Spruch des Popstars Jarvis Cocker tauchte auch in Deutschland unter Literaten auf. Die sogenannten Popautoren überhöhten ernsthaft Lebensstil und Markenwaren. Bono gleicht mehr Harald Schmidt, der eines Tages unvermittelt aller Ironie abschwor. Denn Ironie ist schön, wenn sie sich gegen ernste und absonderliche Phänomene richtet. Ideologien beispielsweise wie der Rock'n'Roll mit seiner Abneigung gegen das Neue und das Ungewöhnliche. Aber wenn alles neu und seltsam und ironisch ist, wird Pathos wieder interessant. Ein Konservatismus als Haltung, als Image. Bono spielt Erlöser. Dass er Kofi Annan häufig trifft, den Papst gelegentlich, und Präsidenten, Weltbankchefs und anderen ins Gewissen redet, ist bekannt. Nun hat er auch den Frieden mit sich selbst und seiner Band gefunden. Nach der Ironie hilft Pathos, Teil eines verachteten Systems zu sein. "Ich bin ein dermaßen unhipper Typ", sagt er, der 41-jährige. Mit Aufbruch hat der Rock'n'Roll 2001 nichts mehr zu tun, mit Heim- und Einkehr viel.

Wenn Männer ihre Midlife-Crisis überwunden haben, dann sind manche klüger, abgeklärt und nett, ein wenig oberlehrerhaft und wieder sehr berechenbar. Zur Freude ihrer Lieben.