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U2 News » 20 Jahre Achtung Baby: die Entstehung (Teil 2)


Am 18. November ist es genau 20 Jahre her, dass U2s Achtung Baby in die Läden kam. Grund genug sich die Entstehungsgeschichte dieses Meisterwerks einmal genauer anzusehen. In einer kleinen Serie hat sich U2tour.de-Mitarbeiter Björn ausführlicher mit dem Album beschäftigt. Lest hier Teil 2 der Entstehungsgeschichte (Teil 1 findet sich hier):

Doch statt Inspiration findet die Band zu Beginn in Berlin vor allem eines: Ernüchterung. Dies beginnt bereits am ersten Tag als die Vier an einer Feier zur deutschen Einheit teilnehmen wollen. Doch statt in einer Jubelfeier landen sie in einer Demonstration, die sich für den Erhalt der DDR ausspricht. ’Um uns herum gab es nur grimmige Gesichter, keine Freude’, erinnert sich Bono. Hinzu kommt, dass sich auch die Hansa Studios in einem miserablen Zustand befinden. Die Produzenten Brian Eno und Daniel Lanois müssen sogar ihr eigenes Equipment mitbringen, da die Studios technisch nicht mehr auf dem aktuellen Stand sind. Von der glorreichen Vergangenheit der Studios zeugen nur noch ihr Ruf und die Atmosphäre des großen Saals. Doch ansonsten ist das Gebäude heruntergekommen und die Umgebung strahlt den Charme einer absoluten Ödnis aus. Der Potsdamer Platz ist eine Brache, die bis vor kurzem komplettes Niemandsland war. Neben den Studios gibt es nur einige hässliche Wohnblöcke und direkt davor ein riesiges Zeltlager und eine Wagenburg, in der hauptsächlich Punks, osteuropäische Flüchtlinge und Aussiedler leben. Die Stadt liegt unter einer Dunstglocke, die sich aus den Ofenheizungen Ostberlins speist und schon wenig später wird es kalt und dunkel in der Stadt.

Hinzu kommt, dass die Band auch keinen Rückzugsort findet. Die Villa, die sie tief im Süden der Stadt angemietet hat, wird nur kurz nach ihrem Einzug von den ursprünglichen West-Eigentümern zurückverlangt. U2 ziehen daraufhin in das Palasthotel, unweit des Alexanderplatzes. Das Hotel war früher eines von vieren in der DDR, welches ausschließlich für Westbesucher reserviert war und rund um die Uhr von der Stasi überwacht wurde. Und die dazugehörige Ausstattung ist ihm auch noch im Herbst 1990 erhalten geblieben. Bono spricht von einem einzigen Palast aus Braun. Die Fassade, die Inneneinrichtung, die Geräte: alles braun und trübe. Der einzige Ort, an dem sich die Band etwas heimisch fühlt, ist die Kneipe Fallstaff, die sich direkt im Erdgeschoss der Hansa Studios befindet.

Die äußeren Umstände sind also bereits schlecht als die Band sich - nach dem Videodreh von 'Night and Day’ In der Dachwohnung von Regisseur Wim Wenders - endlich an die Arbeit macht. An diesem Ort, fernab der Familie und heimatlicher Verpflichtungen, soll die Inspiration auch durch die andere Umgebung kommen. Doch schon die ersten Zusammenkünfte zerstören diese Hoffnung. ’Es gab bis dato immer diesen Moment, wo plötzlich alles zusammenpasste, wo der Funke über sprang. Wo wir gemeinsam im Studio standen und wir dann wussten: das ist es, das wird ein guter Song. Doch dieser Moment wollte in Berlin einfach nicht kommen', so Bono. Tag um Tag trifft die Band mit ihren Produzenten zusammen, um immer wieder am Folgetag festzustellen, dass keine der Aufnahmen sie auch nur einen Schritt weitergebracht hat. Stagnation pur. Brian Eno verlässt zwischenzeitlich die Aufnahmen, während der Frust bei den Bandmitgliedern beständig wächst. Und immer deutlicher wird, dass die Band nicht an einem Strang zieht. Jeder hat ein anderes Verständnis davon wohin sich die musikalische Reise entwickeln soll. Insbesondere Larry versteht die eher experimentell-elektronischen Ansätze von Bono und Edge nicht, die sie zum Teil noch aus den Aufnahmen zum Clockwork Orange Soundtrack mitgebracht haben. Er hat förmlich Angst für die neue Platte überflüssig zu sein bzw. sich nur noch den Vorgaben eines Drumcomputers beugen zu müssen. ’Es gab einfach keinen musikalischen Konsens’, gibt er später zu Protokoll. Auch in langen Gesprächen kann die Band die Diskrepanzen nicht auflösen.

Wieder und wieder arbeiten U2 deshalb an dem wenigen Material, welches bisher entstanden ist. Im Mittelpunkt steht dabei der Song ’Sick Puppy’, der später die Grundlage zu Mysterious Ways liefert. Edge arbeitet dabei an mehreren Übergängen, die zwischen die Strophen eingepasst werden sollen. Doch es ergibt sich kein wirklicher Fluss und niemand ist zufrieden. Schließlich ruft Bono mitten in den Aufnahmen zu einem dieser Übergänge Edge zu, er möge auf einen A Moll-Akkord wechseln. Edge folgt und führt diesen Übergang mit weiteren, neuen Akkorden aus. Die Band stoppt und hält inne. Edge spielt diese Akkordfolge daraufhin allein auf der akkustischen Gitarre und Daniel Lanois bittet ihn den Übergang noch einmal aufzuteilen und die beiden Einzelteile seperat zu spielen. Und ganz plötzlich herrscht Stille im Studio: die Band spürt, dass sie da etwas besonderes an der Hand hat. Sie wechseln fast sofort aus dem kleinen Studio 1 in den großen Saal, das Studio 2. Wieder erklingt die Melodie und Bono singt seine erste Zeilen dazu. So entsteht an diesem 10. November 1990* förmlich aus dem Nichts heraus One.


*Anmerkung: Im Film From The Sky Down ist genau dieser Entstehungsprozess von One zu sehen. Dort wird als Datum aber der 11. Oktober 1990 angegeben. Dies erscheint aus der bisher bekannten Geschichte sehr unwahrscheinlich. U2 waren zu diesem Datum noch nicht mal eine Woche im Studio und es widerspricht allen Aussagen, dass es Wochen bis zum Durchbruch gebraucht. Wir vermuten, dass das DAT-Tape von einem deutschen Studiomitarbeiter beschriftet wurde und zwar mit 10/11/1990. Nach amerikanischem Verständnis wäre dies der 11. Oktober, tatsächlich ist  aber wohl der 10. November gemeint.



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