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Reingehört: Meinungen zum neuen Album Songs of Surrender - Part 2

Heute folgt Teil 2 unseres Meinungsbildes zum neuen U2 Album Songs Of Surrender:


Sabine

  • Beste Songs des Albums: Stories for Boys, Dirty Day, The Fly
  • Meinung: 8 von 10 Punkten

Selten habe ich in meinem nun doch schon einige Jahrzehnte andauernden U2-Fan-Dasein eine solche Kluft zwischen U2 Fans erlebt - oder wenigstens kann ich mich nicht daran erinnern; vielleicht auch ein Vorteil dessen, ein gewisses Alter erreicht zu haben. Auch innerhalb der U2tour.de Mitarbeiter gibt es - und gab es auch schon im Vorfeld der Veröffentlichung - sehr, SEHR unterschiedliche Meinungen, die aufeinander prallten - aber immer respektvoll, so dass die Diskussionen auch Spaß gemacht haben. 

Warum diese Kluft? Weil Musik, insbesondere die der Lieblingsband, Leidenschaft ist (oder wenigstens sein sollte) und diese für jeden individuell auf sehr sehr unterschiedliche Weise entfacht wird - oder auch nicht. Was bei dem einen wunderbar funktioniert und berührt, löst bei dem nächsten pures Entsetzen aus. War schon immer so, wird immer so sein und ist ja auch ok so. Wenn alle das Gleiche denken, werden Diskussionen ja auch langweilig. Fragt man fünf U2 Fans nach Ihren Top 3 U2 Alben, bekommt man 12 Antworten und viel Raum für anregenden Diskussionen. 

Nun aber zur tatsächlichen Veröffentlichung. Da ist das Ding, wollte man nach dem vielen Rauschen vorher am Freitag nun erleichtert ausrufen. Und: mir gefällt es! Sehr sogar! 

Nach der Bono Lesetour und dem dazugehörigen (englischen) Hörbuch konnte man anhand der vorgetragenen Songs und Snippets ja schon ahnen, in welche Richtung das Album gehen könnte. Fand und finde ich schön - bei der Lesetour haben mich die Neuinterpretationen und die Intensität sehr begeistert; insbesondere die spärliche Instrumentierung auf der Bühne. Und diese Gefühl der Intimität, Intensität und z. T. zurückgenommenen Schönheit finde ich auf Songs Of Surrender auch wieder. Das von Bono und The Edge und teilweise auch Adam vorgetragene Konzept der Neuentdeckung und Aufbereitung der Songs aus der Sicht von nun inzwischen über 60jährigen holt mich ab - oder wenigstens größtenteils. Schade ist und bleibt, dass Adam und Larry eher weniger mit dem Projekt zu tun hatten, aber Hut ab, dass sie Bono und The Edge den Raum zu Experimenten gelassen haben. Ich bin mir sicher, dass der Name U2 nur auf dem Album steht, weil alle 4 dem zugestimmt haben - Soloprojekte von Bono und The Edge gab es ja schon bei z. B. dem Spiderman Musical ohne das U2 Label außen auf dem Cover. 

Songs of Surrender braucht Zeit. Zeit, die man sich beim unabgelenkten Hören nehmen sollte und vermutlich auch Zeit, die es für den ein oder anderen noch braucht, um sich von den Originalversionen etwas zu lösen, und den neuen Versionen eine Chance zu geben. Eines darf man sicher nicht: diese Neuinterpretationen mit den Originalen vergleichen. Die neuen Versionen ersetzen die Originale ja nicht - können, sollen und werden sie auch nicht. Sie sind einfach eine neue Betrachtung bereits existierender Songs aus neuem, älteren Blickwinkel. Das finde ich erst einmal spannend. 

Besonders gut funktioniert das für mich bei Songs, die etwas experimenteller sind und sich recht weit von den Originalen entfernen: das nicht mehr jugendliche, sondern etwas altersgemäß kontemplative Stories for Boys; das minimalistisch intensive Dirty Day; The Fly mit dem groovy Rhythmus sind Songs, die bei mir sehr große Begeisterung auslösen. The Miracle (of Joey Ramone) und Get Out Of Your Own Way, das fast wie ein Demo und sehr reduziert klingt, sind auch echte Highlights. Auch die ruhig intensive Stimmung bei den alten Klassikern Streets und Still Haven't Found kommt gut an - sie nehmen mich auf eine lange Autofahrt durch einsame US Gegenden mit. Wird (und muss) nicht bei jedem Hörer funktionieren, mich berührt es intensiv. 

An ein paar Stellen hätte ich mir mehr Mut zum Experiment gewünscht: Beautiful Day, Every Breaking Wave, Song for Someone. Da wäre noch mehr gegangen, auch wenn ich die Versionen schön finde. Da wäre noch (Experimentier)Luft nach oben gewesen. Auch hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle mehr Adam und Larry gewünscht; der groovy Beat, der auch in Until the End of the World den Song bestimmt, hätte durchaus in noch mehr Songs Raum gehabt. 

Aus diesen Gründen gibt es bei mir auch den leichten Punktabzug - um ein paar Songs gekürzt und mit ein bisschen mehr Rhythmusgruppe wäre die volle Punktzahl aber drin gewesen. Ich bin mir sicher, dass mich die ein oder andere Version lange begleiten wird - je nach Stimmungslage gibt es dann das Original oder die Neuinterpretation auf die Ohren - auch eine Art von Luxus. 

Insgesamt wird dieses Album aber meiner Meinung nach nur ein Zwischenschritt sein. Sobald Larry genesen ist(alles Gute auch von hier!), wird es mit der kompletten Band weitergehen und dann wäre es mal wirklich Zeit für das lange angekündigte Rockalbum. Ich bin bereit und sehr gespannt, wie es weitergeht! 

Walk on!


Torsten

  • Bester Song des Albums: The Fly, Red Hill Mining Town, Stories For Boys
  • Meinung: 4 von 10 Punkten

Die Corona-Pandemie, die Isolation und das Runterfahren des Lebens sorgten oftmals dafür, dass sich Kunstschaffende neue Ideen und Wege überlegen mussten! Man nahm als Konsument vieles davon dankbar an, manches auch einfach nur hin, aber immer mit dem Wissen, dass es der besonderen Situation geschuldet ist. In der Nachbetrachtung waren da einige Stilblüten dabei, die dann doch nicht so gelungen waren. Jetzt, da sich weitestgehend das Leben wieder normalisiert hat, kommen dann U2 auch noch mit einem Corona-Album um die Ecke. Zu spät. 

Songs Of Surrender wurde weitestgehend während des Lockdowns aufgenommen – vieles davon in den vier Wänden von The Edge. Der U2-Gitarrist ist dann auch die treibende Kraft hinter diesen 40 Songs. Er spielt verschiedene Instrumente, fungiert überwiegend als Produzent und hat hier und da auch die Lead Vocals übernommen. Die andere Hauptperson dieser Songreigen ist Bono. Die beiden Verhaltensauffälligen sind während des Lockdowns vermutlich die Wände hochgegangen und deren Frauen werden dringende Beschäftigung angeraten haben. Mit Bono eingesperrt zu sein, dürfte sowieso die Höchststrafe sein. Der Mann braucht Beschäftigung, wie auch The Edge. Die beiden Coolen, Adam und Larry, machen hier und da zwar auch mal mit, aber eher ganz dezent im Hintergrund. Von Larry hat The Edge alte Samples und Drum-Loops aus früheren Aufnahme-Sessions im hauseigenen Keller oder der Garage gefunden und die dann teilweise in die Songs reingefrickelt. Manches hat Larry auch neu eingespielt. Da der U2 Schlagwerker bekanntlich gesundheitlich angeschlagen ist, wollte er aber meist nur dezente Percussions beisteuern. Herr Clayton weiß jetzt selber gar nicht so genau, welche Parts von ihm überhaupt verwendet wurden. Das lässt tief blicken. Eingehende Beschäftigung miteinander und diesem Werk sieht wohl anders aus. In erster Linie ist das ein Duo-Album von The Edge und Bono. Mr. Mullen hat die gemeinsame WhatsApp-Gruppe vermutlich sowieso längst verlassen. 

Kein Song auf diesem Album macht den bisherigen bekannten Song besser, wodurch die Sinnhaftigkeit dieser Veröffentlichung mehr als hinterfragt werden muss. Natürlich können die Herren damit machen was sie wollen, es sind ja ihre Songs. Ob man dies dann aber zwingend auch so veröffentlichen muss, steht dann auf einem ganz anderen Blatt. Man kann sich durch diese 40 „re-imagined“ Songs quälen und wird unter dem ganzen langweiligen und belanglosen Geklampfe dann doch noch ein paar brauchbare Versionen finden. Das lässige The Fly hebt sich da wohlwollend ab. Da ist dann aber auch die ganze Band am Start. Man stellt sich allerdings unweigerlich die Frage, ob die Version jetzt wirklich so herausragend ist oder der Rest von Songs Of Surrender eben der berühmte Griff in die Toilette und somit fällt das Lied nur umso positiver auf?! Red Hill Mining Town mit Bläsern gefällt ebenfalls und ist die weitestgehend bekannte Version von der The Joshua Tree-Tour. 

Jenseits der Totalausfälle gibt es hier und da Lichtblicke. Stories For Boys, gesungen von The Edge, mit diesem traurig perlenden Piano ist durchaus ein Kleinod. 11 O´Clock Tick Tock ist ebenfalls – auch aufgrund der Rhythmussektion – gelungen. Man muss es den Herren hoch anrechnen, dass sie ihren herausragenden und besten Song, nämlich Bad, nicht komplett vor die Wand gefahren haben. Das passt schon. Die Interpretation auf Songs Of Surrender ist natürlich ganz weit davon entfernt mit dem epischen Original mithalten zu können und ein Gänsehautmoment ist das hier auch nicht, aber immerhin zerfällt die Version nicht in ihre Einzelteile, wie so viele andere große Songs hier. Where The Streets Have No Name oder Pride fallen beispielsweise ins Bodenlose. Jesus, das geht gar nicht! One ist hier gar ein Frevel. 

Aber weiter zu den eher gelungenen Versionen. Get Out Of Your Own Way ist überraschenderweise auch nicht verkehrt. Das hört sich dann tatsächlich so an, als hätten die vier Jungs bei The Edge in der Hausbar gemeinsam musiziert. „Invisible“ kriegt durch die akustische Instrumentierung auch noch mal einen frischen Anstrich und verströmt diesen netten, positiven Vibe. Eine Nummer die mit geöffneten Armen den hoffentlich nahenden Frühling begrüßt. Dirty Day mit Cello und dem Sprechgesang von Bono baut etwas Spannung auf und ist auch eher bei den interessanteren Interpretationen zu finden. The Mircale (Of Joey Ramone) dengelt und holpert sowieso ganz nett dahin. Es sind eben die Songs mit Beteiligung aller vier Bandmitglieder, die funktionieren. Two Hearts Beat As One – forsch und mit tollem Rhythmus – kommt auf der Zielgeraden auch noch mal ziemlich gut. 40 ist letztlich der versöhnliche und nette Abschluss. 

Fazit: Letztlich bleiben von 40 Nummern dann 10 übrig, die durchaus annehmbar sind. Eine Einzel-CD und dies nicht als reguläre Veröffentlichung, sondern als Fan-Clubgeschenk oder als Sideproject von The Edge und Bono, hätte es da auch getan. Songs Of Surrender ist nicht schlecht, kann es bei diesem überragenden Songmaterial ja auch nicht sein, nein, das Album ist überwiegend einfach nur total langweilig und belanglos und somit absolut enttäuschend. „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ sagte der ehemalige Gesundheitsminister die Pandemie betreffend, Songs Of Surrender gehört seit dem 17. März 2023 auch dazu! Kommen wir zur Punkteverteilung: je 1 Punkt für The Fly und Red Hill Mining Town, 1 Punkt zusammen für die anderen positiv genannten Songs, 1 Punkt für das Rückgrat von Larry!


Durchschnittliche U2tour-Bewertung nach sechs Meinungen: 4,9 von 10 Punkten

Rezensionen Part 1
Rezensionen Part 3

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