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46664 Poster Am 29. November 2003 fand in Kapstadt unter der Schirmherrschaft von Nelson Mandela das fünfstündige Benefizkonzert 46664 statt (News). Das Konzert gilt als Start einer ganzen Kampagne, die auf die AIDS-Epidemie in Afrika aufmerksam machen und Spendengelder für deren Bekämpfung einbringen soll. Zahlreiche afrikanische Künstler und internationale Top-Acts nahmen an der Veranstaltung teil, darunter auch Bono und The Edge, die an insgesamt vier Songs beteiligt waren: American Prayer, 46664 (Long Walk To Freedom), One / Unchained Melody und Amandla. Am 19. April 2004 sind eine Doppel-DVD und drei CDs von dem Konzert erschienen (News). Auch die Veröffentlichung einer Studio-CD ist in Planung.

46664 Setlist und Bilder | 46664 DVD/CD Veröffentlichung

Wir sind stolz Euch einen Backstage-Bericht vom 46664-Konzert präsentieren zu können: Horst Zwipp ist Manager von Chris Thompson (früher bei Manfred Mann's Earth Band), der bei 46664 mit Queen und anderen live auf der Bühne stand. Horst Zwipp hat Thompson zu den Proben für das Konzert begleitet und hat das Konzert selbst hautnah im Backstage-Bereich verfolgt. Seine Erlebnisse und Erfahrungen und die Proben und das Konzert aus seiner Sicht hat Horst Zwipp für U2tour.de in einigen Zeilen zusammengeschrieben. Auch einige Photos hat er uns zur Verfügung gestellt. Vielen herzlichen Dank an Horst Zwipp!

Bericht von Horst Zwipp:

Dienstag, 25.11.2003

Das World Liberty Konzert anlässlich des 50jährigen Endes des 2. Weltkrieges, das zu Fuße der berühmten Brücke von Arnheim stattfand, war schon ein Großereignis, an dem ich mit Chris Thompson und Alan Parsons Project teilnehmen durfte. Aber das, was sich hier in Kapstadt abspielt, ist noch einmal eine andere Dimension.

Eine andere Dimension der Logistik, der Organisation, der Medien, der auftretenden Künstler, des Kontinents und dem Zweck der Veranstaltung. Nicht dass ich an dieser stelle das Ausmaß des 2. Weltkriegs mit all seinem Leid und Elend schmälern möchte. Ganz und gar nicht. Seit Jahren befinden wir uns jedoch in einem Krieg, dessen Ausmaße noch nicht absehbar sind: AIDS. dieses Konzert soll helfen, zum einen dringend notwendige Gelder gegen diesen bislang nahezu aussichtslosen Kampf zu sammeln und zum anderen die tödliche Gefahr dieser Krankheit wieder einmal dringend zu thematisieren. und dieser Aufgabe haben sich die auftretenden Künstler, Staatsmänner, Industriemagnaten und VIPs aus aller Herrenländer verschrieben, nicht nur an diesem magischen 29. November 2003 hier in Kapstadt.

Die Proben sind nun schon seit nahezu 3 Wochen im Gange. Die erste Woche in London und nun schon die zweite und dritte Woche in Kapstadt. Da Mitglieder der SAS Band die sogenannte Houseband der meisten auftretenden Künstler bilden, ist naturgemäß ein Riesenrepertoire an Songs einzustudieren. Dies natürlich umso mehr, da alle auftretenden Künstler live on Stage spielen. Auch nicht gerade immer gang und gebe. Teilweise probten die Sänger gemeinsam mit der Band in London und auch hier in Kapstadt, Künstler wie z.B. Beyoncé Knowles, Anastacia usw. werden erst ab Donnerstag bzw. Freitag vor dem Konzert mit der Band proben.

Hier die Mitglieder der Houseband:

Keyboards, Guitar: Spike Edney (Queen, Bon Jovi etc.)
Bass: Steve Stroud (Cliff Richard etc.)
Guitar: Jamie Moses (Pretenders, Paul Young etc.)
Drums: Eric Singer (Black Sabbath, Alice Cooper, Kiss etc.)
Saxophon: Steve Hamilton (Blur etc.)
Trumpet: Andy Bush (Roxy Music etc.)
Background Vocals: Zoe Nicholas (Pink Floyd, Georg Michael, etc.)
Soundengineer: Simon Hart (Pink Floyd, Foreigner etc.)

Chris Thompson übernimmt somit eine nicht ganz unwesentliche Rolle bei diesem gesamten Konzert. Er fungiert als
- Stimmtrainer der meisten Sänger und Sängerinnen,
- übernimmt teilweise deren Rolle bei den mehr als harten Proben,
- steht bei den meisten als Backgroundsänger auf der Bühne und
- übernimmt den Lead Part des Songs "The Show Must Go On" gemeinsam mit Queen.

Hierzu eine kleine Anekdote von den Proben im Cyclops Studio von Dienstag:

Die Band probte einen Song, der in den 70ern ein Hit der Corgys war: "Everybody Loves Sometimes", die neue Single von Zucchero. Dieser kam etwas später, richtete sich sein Keyboard ein, es wurde mit Spike Edney die ein oder andere Feinheit erörtert und los ging es. Erster Take. Zucchero sitzt am Keyboard, spielt die ersten Chords und plötzlich erklingt Chris Thompsons Stimme links von ihm. Ich musste mein Lachen unterdrücken, als ich Zuccheros Kopfbewegung sah, die sich ruckartig zu dem Mann der Stimme hinwandte und in seinem Blick Bewunderung sah. Ohne jeglichen Neid. Etwas später sah man dann die beiden völlig im Gespräch bzw. Gesang vertieft, als sie den Song noch einmal stimmlich für sich selbst durchgegangen sind. Ohne Band, einfach so. Vertieft im Hier und Jetzt.

So, oder so ähnlich, spielt es sich eigentlich immer ab, wenn Chris Thompson seine Stimme erhebt. So kam er auch zu der Ehre, gemeinsam mit Queen den Song The Show Must Go On live on Stage zu singen. Dies ist einer der schwierigeren Songs, den der unvergessenen Freddie Mercury geschrieben hat und Chris Thompson ist sich dessen bewusst. Man kann Freddie Mercury nicht kopieren oder gar ersetzen und dies versucht Chris Thompson auch nicht. Er gibt dem Song seine Seele als Verbeugung an einen der größten Rocksänger aller Zeiten.

Die gesamte Performance, die Chris Thompson hier als Sänger zu leisten hat, ist natürlich eine ziemlich harte Nummer und erfordert eiserne Disziplin für Körper, Geist und Seele. Auch ich profitiere davon, denn ich habe das Vergnügen, Herrn Thompson bei seinen morgendlichen Jogging und Stretchingübungen zu assistieren. In anderen Worten - ich hechle keuchend hinterher und mache nur bei den Tai-Jhi-Übungen eine einigermaßen glückliche Figur. Die Stimmübungen anhand seiner berühmt berüchtigten Tonleiter-Oper-Cassette erlässt er mir zum Glück für alle Capetonians.

Wenn man einmal in seinem Leben Brian May live und ca. 3 Meter von sich, in einem schlichten Proberaum, Gitarre spielen und vor allem hören sehen konnte, der definiert den Begriff Rockgitarre neu. Dieser Mann und dieses Spiel ist einfach unglaublich. Unglaublich virtuos, unglaublich laut, unglaublich präsent, unglaublich ..... es passt einfach jegliche Superlative. Unglaublich.

Irgendwie lustig ist es auch, wenn man die hübsche junge Dame betrachtet, die so gekonnt Geige spielt. Man lächelt ihr zu, sie lächelt zurück, man kommt ins Gespräch, sehr nett, völlig normal und Roger Taylor von Queen kommt dann hinzu und stellt uns gegenseitig vor, weil wir es (aus Verlegenheit? Befangenheit?) schlichtweg vergessen hatten: Sharon Corr - Horst Zwipp. Sharon Corr? Von den Corrs? Na toll, du großer Musikkenner. Aber in so einem Proberaum reduziert sich halt alles aufs Wesentliche. Und dies tut gut, weil hier, in diesen Stunden, wirklich nur die Musik zählt. Und sonst nichts. Bin mal am Freitag auf Beyoncé gespannt. Und auf Anastacia.

Wer mich auch schwer beeindruckt hat war Johnny Clegg. Leider ging der Akku meiner Digicam aus, daher gibt es keine Bilder von ihm. Ich dachte immer, Johnny Clegg ist ein Afrikaner, aufgrund seiner Songs und Aussprache. Weit gefehlt. Er ist ein weißer Südafrikaner und hat eine Ausstrahlung, wie ich es selten erlebt habe. Bei den Proben hatte er einen ca. 40-köpfigen Chor dabei, der aus weiblichen und männlichen Afrikanern jeden Alters bestand.

Wenn sich die Stimmen eines solchen Chores erheben, wenn man in die Augen voller Lebensfreude schaut, voller Hoffnung, wenn man die rhythmischen Körperbewegungen sieht und den Vibe spürt, dann, ja dann geht einem wirklich das Herz auf und man beginnt schlagartig nachzudenken. Über viele Dinge. Über wichtige Dinge. Und über Dinge, die eigentlich nicht wirklich wichtig sind, in unserem, erfolgsorientierten, gehetzten, europäischen Leben.

Hier, in diesen magischen Stunden, Tagen und Wochen in Cape Town stimmt einfach die Aussage, dass Musik über Grenzen hinweggeht, Menschen und Völker verbindet. Hier zelebrieren Menschen und Völker eine Gemeinschaft, die mit den Händen und den Seelen gleichermaßen greifbar und spürbar ist.

Ich bin stolz darauf, ein Teil dieses Events zu sein. Stolz darauf mitarbeiten, stolz darauf hier helfen zu dürfen. Ein kleiner Teil eines großen Ganzen zu sein. Morgen (Mittwoch) gehen die Proben weiter. Allerdings erst um 17.00 Uhr. Dann jedoch zum ersten mal im Green Point Stadium. Und unter anderem mit Peter Gabriel. Und wie ich gerade erfahre nun doch auch schon mit Beyoncé Knowles. Tagsüber wird jedoch trotzdem gearbeitet und organisiert. Und gejoggt und gestretcht. Es gibt schlimmeres zu tun.


Samstag, 29.11.2003 - Der Showtag

Das Künstlerdorf ist einfach gigantisch. Unzählige Zelte im Beduinen-Stil mit schönen Teppichen, afrikanischen Leuchten etc. erzeugen eine wunderschöne Stimmung. Alles ist irgendwie angespannt. Verständlicherweise. Es ist kurz vor Showdown und es herrscht eine hektische Betriebsamkeit. Brian May stimmt seine Gitarre (tatsächlich selbst), Zucchero beruhigt sich mit seiner Digicam, die Mädels der Corrs sitzen zusammen und rauchen Zigaretten, Sir Bob Geldof läut unruhig zwischen den Zelten hin und her, Peter Gabriel spielt mit seinem Kind und Beyoncé stürmt mit einem 15-köpfigen Tross die Zeltstadt.

Und Bono? The Edge? Die sind plötzlich im Cateringzelt und würden kaum auffallen, wenn nicht ständig eine Menschentraube um sie herum wäre. Sie sind sehr sympathisch, wie ich nachher noch feststellen werde.

Die Show beginnt und alles was laufen kann, befindet sich direkt hinter der Bühne. Der hintere Teil der Bühne ist fast noch einmal so tief wie die eigentliche Bühne. Hier befinden sich zahlreiche Fernsehmonitore, auf denen man das Geschehen auf der Bühne verfolgen kann, Interviewbereiche diverser TV-Stationen und und und. Ich stehe hinten und Peter Gabriel nebst Band kommt von der Bühne. Gemeinsam verlassen wir den Bühnenbereich in Richtung Künstlerdorf. Plötzlich stehen mehrere Security-Menschen vor uns und schicken uns in eine bestimmte Ecke des hinteren Bühnenbereiches, wo wir hinter einer Absperrung zu warten haben. Minuten vergehen, Peter Gabriel schaut mich fragend an, noch mit seinem Headset auf dem Kopf. Wir zucken beide mit den Schultern. Plötzlich eine erneute Aufforderung, unseren Standort zu wechseln und hinter eine andere Absperrung zu gehen. Alles ist aufgeregt, springt durcheinander. Wir stehen da wie bestellt und nicht abgeholt. Minuten vergehen, während wir der hektischen Betriebsamkeit zuschauen. Plötzlich dann die Aufforderung, den Bühnenbereich schnellstens zu verlassen. Chaotisch. Wir kommen der Aufforderung nach und sehen plötzlich, warum das alles. Direkt hinter der Bühne steht eine schwarze, abgedunkelte Limousine, umringt von Bodyguards. Nelson Mandela. Klar. Daneben steht ein Golffahrzeug, mit dem Nelson Mandela dann auf die Bühne gefahren werden soll, da er Probleme mit seien Knien hat. Die Tür geht auf und er steigt aus. Ein Lächeln geht über sein Gesicht, als er uns alle sieht. Er winkt uns zu. Dieser Mann hat eine Ausstrahlung, das ist unglaublich. Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt immer, dass alles, was diesen Mann betrifft, ein wenig überbewertet wird. Weit gefehlt, Herr Zwipp. Dieser Mann ist einer der letzten Großen auf unserer Welt. Ohne Zweifel. Hoffentlich bleibt er uns und vor allen Dingen Afrika noch lange erhalten.

Sein Auftritt bzw. seine Rede war mehr als umjubelt. Zu recht. Sie nennen ihn hier Madiba, was so viel heißt wie "Chef". Und dies ist er. Ein sanfter Chef. Einer der sich kümmert. Selbst im größten persönlichen Leid. 27 Jahre eingesperrt. Davon 17 Jahre auf Robben Island in einer 5qm kleinen Zelle. Nelson Mandela - ich verehre dich.

Die Nelson Mandela Foundation hat der Geisel AIDS den Kampf angesagt. Sie hat gewichtige Mitstreiter wie z.B. Amerika und Mr. Bush, Herrn Schrempp von Daimler Chrysler, Oprah Winfrey (die auch vor Ort war) und zahlreiche Künstler. Hier vor allen Dingen Bono, der ein enger Freund von Nelson Mandela ist und neben seiner musikalischen Macht und Botschaft einen unüberseh- und spürbaren Einfluss auf die Weltpolitik hat. Er ist es, der einfordert und zudem überwacht, dass auch eingebracht wird. Hierfür gebührt ihm eigentlich mehr als Dank. Hinz und Kunz werden zu Rittern geschlagen - warum eigentlich nicht Bono? Irgendwann wird man nicht umhinkommen und das ist auch richtig so.

Das Konzert war ein voller Erfolg. Musikalisch, künstlerisch und vor allen Dingen finanziell aufgrund der Übertragungsrechte in über 160 Ländern der Erde. Von der Aufmerksamkeit ganz zu schweigen: geschätzte 3 Milliarden Menschen haben das Konzert weltweit an den TV-Schirmen verfolgt. Nur - hilft das alles? Bringt es die Menschen in Afrika wirklich entscheidend weiter, in ihrem Kampf gegen AIDS? Ich wage dies zu bezweifeln. Es ist keine Frage, dass etwas gemacht werden muss, doch um einen zählbaren Erfolg zu erzielen, müsste man wirklich jeweils eine Person zur andern stellen, die darauf aufpasst, dass wirklich Kondome verwendet werden, um diese Seuche einzudämmen. Und dies funktioniert so leider nicht.

In Afrika fehlt eine gewisse Grundintelligenz. Und eine soziale Intelligenz. AIDS wird hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr übertragen. Und der Geschlechtsverkehr basiert auf dem Geschlechtstrieb. Und dieser Trieb ist bei den Menschen auf diesem Kontinent sicherlich weit mehr und anders ausgeprägt, als in Europa. In knallharten Worten: wenn hier jemand Geschlechtsverkehr haben möchte, dann hat er ihn. Ob der Partner möchte oder nicht. Und da wird dann auch nicht mehr nach Verhütung gefragt. Harte Worte, aber dies sind Tatsachen. Und hier liegt das eigentliche Problem. Kommt dann noch die unsägliche Armut hinzu und die Tatsache, dass die meisten Menschen wirklich nur durch Sex oder Drogen überleben können (was für ein Widerspruch, nicht wahr?), so kann man sich die Verbreitung dieser Seuche wie ein Buschbrand sehr gut vorstellen.

Ich war in jedem fall geschockt, ergriffen, tieftraurig und entsetzt, wenn man hier vor Ort Kinder sieht, die T-Shirts mit dem Aufdruck "ICH HABE AIDS" sieht. Oder z.B. einen Jungen kennen lernt, der der am längsten lebende Mensch ist, der seit seiner Geburt HIV-infiziert ist. Es ist ein sehr netter Junge, der auf Einladung von Bono bei diesem Konzert war. Woher Bono ihn kennt, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Er ist mit mir gemeinsam auf einem der Bilder zu sehen. In jedem Fall habe ich mit ihm gemeinsam Autogramme der meisten Künstler geholt und seine strahlenden, glücklichen Augen werden mich immer begleiten. Wie kann man so glücklich sein, wenn man weiß, dass man diese tödliche Krankheit in sich hat? Ich weiß es nicht, aber er gab mir Mut und dafür danke ich ihm. Meine persönlichen, vermeintlichen Probleme wurden plötzlich so unsagbar klein und bedeutungslos.

Ich bin dankbar, Teil dieses wichtigen und großen Ereignisses gewesen zu sein. Und ich bin dankbar, Menschen getroffen zu haben, deren Größe darin besteht, demütig zu sein. Demütig zu einem Leben, das sehr, sehr hart und ungerecht, aber auch sehr schön sein kann. Auch mit der tödlichsten Krankheit. Freunden sei Dank.

Horst Zwipp, Cape Town, 29.11.2003


Brian May & Zucchero


Brian May & Zucchero


Zucchero


Chris Thompson & Zucchero


Chris Thompson


Chris Thompson & Horst Zwipp


VIP-Zelt & Green Point Stadium


Künstlerdorf


Afrikanischer Junge & Horst Zwipp


Anastacia & afrikanischer Junge (Aftershow)
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